Dr Philipp Boersch‑Supan

Quantitative Ecologist

Ein Gipfel unter dem Meer

32°43' S, 57°16'E
 
Nachdem eine Schlechtwetterwarnung gestern abend für ein wenig Unruhe gesorgt hatte - sämtliche losen Gegenstände in Kabinen, Laboren und Büros wurden vorsorglich verstaut und/oder angebunden, kamen wir im Morgengrauen über dem ersten unserer Seamounts an, der Atlantis Bank. Das Wetter war weniger schlimm als befürchtet, Regen und Windgeschwindigkeiten um 10 m/s sorgten zwar für deutlich mehr Schaukeln als bisher, insgesamt aber gab es keinen Grund zur Besorgnis. Deutlich schlimmer als das Wetter war die Nachricht, dass der Multisampler unseres Schleppnetzes während unseres letzten Fischzugs einen irreparablen Schaden erlitten hatte, womit wir die Möglichkeit verloren haben, in definierten Tiefen die Netze zu öffnen und zu schließen.

Anstatt zu Fischen wurde daher zunächst eine akustische Vermessung von Seamount und den assoziierten Strömungen und biologischen Streuschichten begonnen. Mit zwei zusätzlichen Stunden Schlaf und einem guten Frühstück im Magen sah der Tag dann auch gleich viel besser aus, insbesondere als die ersten Daten über die Schirme des Akustikraumes liefen. Die Echolote offenbarten ein interessantes Wechselspiel zwischen Fischen und der sogenannten tiefen Streuschicht, einer Schicht aus Plankton und kleinen Fischen, die Tagsüber zwischen 500 und 1000 m unter dem Meeresspiegel liegt, und nur Nachts zum Fressen an die Oberfläche kommt. Die im Morgengrauen absteigende Streuschicht war über den Flanken des Seamounts von Fischschulen durchsetzt. Eine Indiz dafür, das Seamount-assoziierte Fische morgens über das herabsinkende Plankton herfallen. Ebenfalls schön war es, nach Tagen ohne sichtbares Leben wieder Vögel ums Boot zu haben. Neben den häufigen Weißkinn-Sturmvögeln war es eine besondere Freude, dass auch ein junger Wanderalbatros einige Male unser Schiff umrundete.


Weißkinn-Sturmvogel Procellaria aequinoctialis


Im weiteren Verlauf des Tages wurd dann beschlossen das Schleppnetz - nun ohne Multisampler - als offenes Netz weiterzuverwenden und damit mehr oder weniger gezielt akustische Streuschichten zu befischen, was in zwei Fischzügen Rücken-an-Rücken resultierte. Der Fang war überraschend gering, nichtmal der Boden unseres Fischbottiches war bedeckt. Allerdings waren soviele Arten vertreten und das Gros der Individuen sehr klein, sodass wir über 5 Stunden mit Sortieren beschäftigt waren. Nach einem kurzen Blick auf die in der Zwischenzeit gesammelten akustischen Daten geht es daher jetzt schnell ins Bett.

Die ersten Pings, die ersten Netze

27°23' S, 56°17' E

Gut drei Tage sind wir nun auf See und nach der ersten ozeanographischen Station am Freitag haben wir nun auch die erste volle Station absolviert, d.h. ein komplettes Ensemble von biologischen und ozeanographischen Parametern.
Unsere erste volle Station ist ziemlich genau in der Mitte zwischen Reunion und dem ersten Seamount den wir besuchen wollen. Mitten im offenen Ozean, um uns herum nur Horizont und gut 5000 m unter uns die abyssale Ebene des Madagaskar-Beckens. Genau wegen dieser flachen Ebene sind wir hier, die Station soll uns Referenzdaten fuer die Stationen am SWIO-Ruecken liefern. Hier koennen wir sicher sein, dass die ozeanographischen und biologischen Prozesse nicht von der Topographie des Meeresboden beeinflusst werden.
Wir erreichen die Station am Samstag gegen 9:30 Ortszeit und verbringen dann die naechsten sechs Stunden damit ein 10x10 Seemeilen grosses Gebiet in Bahnen abzufahren. An Bord des Schiffes erscheint es ziemlich wiedersinning mitten im offenen Ozean ein Stueck zu fahren, dann eine harte Linkskurve hinzulegen und wieder in die entgegengesetzt Richtung zurueck zu fahren. Sinn und Zweck der Uebung ist es eine moeglichst grosse Wasserflaeche systematisch zu vermessen und zwar mit Schall.


Am Kiel der Nansen sind verschiedene Typen von Echoloten angebracht, und waehrend unseres Zickzack-Kurses laufen zwei davon: Das "EK60", ein Mehrfrequenz-Fischerei-Echolot, und ein ADCP (acoustic doppler current profiler). Waehrend das ADCP von den Ozeanographen an Bord genutzt wird um mit akustischen Tricks die Stroemungsstruktur in der oberen Wassersaeule zu entschluesseln, arbeitet das EK60 fuer mich.
Alle paar Sekunden wird ein akustischer Ping in die Wassersaeule geschickt, und sobald die Schallwelle auf etwas trifft, dass nicht Wasser ist, wird ein Teil der Energie zum Boot zurueckgeworfen und registriert. Ein besonders starkes Echo kommt vom Meeresgrund tief unter uns, schwaechere Echos von den Tieren in der Wassersaeule, und genau die sind es, die mich interessieren. Die Schallenergie der Echos verwende ich als Messgroesse fuer die Menge an Tieren unter dem Boot.
Das Echo alleine verraet in den meisten Faellen nur sehr wenig darueber welche Tiere unter dem Boot schwimmen, und so haben wir von Samstag Abend bis heute Nachmittag auch fleissig gefischt. Unser Arsenal an Netzen reicht von kleinen (ca. 40 cm Durchmesser) Ringnetzen bishin zum enormen Åkra-Trawl, einem Schleppnetz fuer Fische mit einer 110m breiten und 25m hohen Oeffnung. Somit koennen wir von mikroskopische Algen bishin zu Dezimeter grossen Fischen (fast) das gesamte Groessenspektrum an Meerestieren beproben. Nur in der Mitte haben wir ein paar Probleme. Uns fehlt, wie schon berichtet, das mittelgrosse Netz und so werden Tiere zwischen 1cm und 5cm nur teilweise erfasst.


Der  Åkra-Trawl geht ueber Bord

Nichtsdestotrotz waren unsere ersten Faenge voller wundersamer und wunderbarer Meerestiere. Leuchtende Tiefseefische, zappelnde Tintenfische, skurrill anmutende durchsichtige Nacktschnecken oder blau-fluoreszierende Krebschen. Ein paar der ueber 30 bisher gefangenen groesseren Arten sind im offiziellen Blog abgebildet, viele der nur millimetergrossen Planktonorganismen werden wir aber erst im Labor an Land bestimmen koennen.
Das Fischen ist mit Abstand der anstrengendste Teil der Expedition. Waehrend die Faenge der kleineren Netze ohne groessere Sortierung sofort konserviert in einem Schraubglas konserviert werden, bringt der Åkra-Trawl bottichweise Meeresgetier an Bord. Der Fang wird dann an einem langen Tisch sortiert, vermessen und gewogen, es werden Gewebeproben entnommen und die Tiere fuer weitere Untersuchungen an Land vorbereitet, und das benoetigt einige Stunden vollster Konzentration. Entsprechend kurz war die Nacht, und so kam eine zweite Runde akustischer Untersuchungen am Vormittag gelegen um den verpassten Schlaf nachzuholen. Am Nachmittag gingen dann bei ruhiger See und strahlendem Sonnenschein wieder die Netze ueber Bord. Diesmal gab es allerdings Probleme mit dem Åkra-Trawl, und so kam nur ein eiziger Bottich an Bord, der relativ schnell sortiert war.
Nach knapp 35 Stunden auf Station ging es dann mit der untergehenden Sonne weiter in Richtung Sueden. So uns das Wetter weiterhin wohlgesonnen bleibt, werden wir am Dienstag morgen dann unseren ersten Seamount, die Atlantis Bank.

Auf Donnerstag den 12. folgt Freitag der 13.

25° 7' S, 55° 54' E

Gestern Abend kurz vor Sonnenuntergang kamen die lang erwarteten Chemikalien dann endlich an, und nach einer guten halben Stunde waren 1000L Ethanol und einige weitere Kisten verladen und es ging mit dem letzten Licht hinaus auf den Indischen Ozean.


Bei Sonnenaufgang war schon längst kein Land mehr in Sicht und bei einer steifen Brise ging es Südwärts auf die erste ozeanographische Station zu. Während das Schiff mit gut 10 Knoten durch einen klaren blauen Ozean schaukelte, fingen unter Deck die Vorbereitungen für die erste große Station an. Netzte wurden überprüft, Konservierungsmittel für die zu fangenden Tiere angerührt und die einzelnen Arbeitsabläufe besprochen.
Kurz vor Sonnenuntergang war dann die erste kleine Station erreicht, wo wir uns ein Bild der Wassersäule bis 1500m machen wollten. Dafür wurde eine sogenannte CTD-Rosette ins Wasser gelassen. Das CTD kann kontinuierlich Druck, Salzgehalt und Temperatur sowie einige weitere Parameter messen. Daten aus denen die Ozeanographen die Herkunft der einzelnen Wasserschichten ermitteln können. Über dem eigentlichen CTD sitzt eine Rosette mit 12 großen Plastikflaschen, die ferngesteuert geschlossen werden können, somit kann man in beliebiger Tiefe Wasserproben nehmen.
Zusätzlich war an dem ganzen Aufbau noch ein akustisches Strömungsmessgerät befestigt, mit dem wir ein Bild der Tiefenwasserbewegung erhalten wollten - das Glück ist allerdings noch nicht vollends mit uns, und leider kam mit den rund 60 Litern Seewasser ein zerborstenes Messgerät an die Oberfläche. Jetzt heißt es also einmal mehr Daumendrücken, dass wir mit den Mitteln an Bord diesen Ausfall kompensieren können.


Auf der positiven Seite gab es heute die ersten Ozeanbewohner zu sehen, rundum das Schiff drehten Seevögel ihre Runden. Die meisten waren alleine oder in kleinen Gruppen unterwegs, aber es waren auch einige Trupps Rußseeschwalben dabei, die annähernd 1000 Individuen umfassten. Viel Arbeit also für die beiden Vogelforscher, die wir hier an Bord haben.

Die Abfahrt bleibt ungewiss

55 Stunden sind wir nun an Bord und noch immer geht es nicht los. Das ist frustrierend und langsam werden die Nerven ziemlich duenn. Von sechs Tagen Schlechtwetterreserve haben wir nun schon fast zwei verloren. Die Chemikalien sind nach wie vor unterwegs und schlimmer noch, das Schleppnetz fuer Makrozooplankton, dessen Proben den Kern meiner Arbeit formen sollten, ist auf dem Weg von Kapstadt nach Reunion verloren gegangen. Es wird nun - trotz der verspaeteten Chemikalien - nicht mehr rechtzeitig ankommen und somit bahnt sich ein gewisser Themenwechsel fuer meine Doktorarbeit an...

Boarding the Nansen

After two days of pre-cruise meetings we boarded the vessel Dr. Fridtjof Nansen this morning. On Sunday we prepared the schedule of the sampling that we will be doing over the next six weeks and pinpointed the exact locations for the sampling. By Monday all participating scientists had arrived, and after a long round of introductions and presentations about everyone's research interests we finalized the sampling plan.


The plan for today was an outreach event, local schools and the media were to visit the vessel, and the loading and unpacking of equipment and luggage. The rain of the last week hd made parts of the coastal highway impassable and so we had to fight our way to the port through the resulting traffic jam. We barely made it in time for the outreach event, and so the unpacking had to wait until after roughly a hundred schoolkids had toured the vessel. Now, having set up microscopes and computers, we are only waiting for a last shipment of equipment and chemicals from South Africa, which is unfortunately delayed, and so we will probably not leave port until early Thursday.

Über das Wochende und gestern sind nach und nach alle Teilnehmer der Expedition in Réunion eingetroffen, und nach einem verregneten weiteren Ferientag (für einen Tauchgang an der Westküste hat es gereicht, der zweite fiel dann einem weiteren Tropengewitter zum Opfer), fing am Sonntag dann die Arbeit an. Zunächst in kleinem Kreise wurde der Expeditionsplan erstellt, dieser Plan umfasst die exakten Koordinaten unserer Beobachtungspunkte und eine Abfolge der Messungen die an den einzelnen Stationen durchgeführt werden sollen. Einige Stationen unterwegs werden zum Beispiel nur sehr knapp vermessen, ein paar Wasserproben, ein Profil der Wassersäule, während an den Seamounts dann ausgiebige Studien folgen, dort messen und fischen wir für etwa 3 Tage am Stück.

Am Montag war dann zum ersten Mal die gesamte wissenschaftliche Mannschaft versammelt und nach ausgiebigen Vorstellungen der einzelnen Teilnehmer und ihren Forschungsprojekten wurden dann die letzten Details des Expeditionsplanes geklärt.

Heute morgen ging es dann zum Schiff, wo wir unsere Ausrüstung verladen wollten, bevor es eine Besichtigung des Schiffes für Schüler der örtlichen Schulen und die Presse geben sollte. Der Regen vom Freitag und Samstag hatte allerdings eine Fahrbahn der Küstenstraße unpassierbar gemacht und so staute sich der Verkehr kilometerweit zwischen St Denis und dem Hafen. Mit reichlich Verspätung kamen wir schließlich am Hafen an, wo die Dr. Fridtjof Nansen zwischen Fischerei- und Zuckerkais angelegt hatte. Keine halbe Stunde standen knapp hundert Schüler am Kai und so mussten die großen Kistenstapel erst einmal warten.
Am Nachmittag wurden dann hunderte von leeren Flaschen, Eimern und Dosen für die zu fangenden Meerestiere im Bauch des Schiffes verstaut und Mikroskope und Computer wetterfest an Laborbänken und Schreibtischen angeschraubt und -gebunden.

Nun heißt es ersteinmal warten, uns fehlen noch ein Kubikmeter reiner Alkohol für die Konservierung von Gewebeproben und einige Chemikalien müssen noch aus Südafrika eingeflogen werden und da  morgen auch noch Feiertag in Frankreich ist, werden wir wohl erst am Donnerstag ablegen können - der erste verlorene Tag Schiffzeit, aber eventuell auch eine Möglichkeit nocheinmal ein wenig von der Insel zu sehen.